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Beim Coaching geht es auch um Vertrauen und Mut

Experteninterview mit Helmut Martin von der Business Coach Akademie Würzburg zum Thema Widerstände im Coaching

Helmut Martin ist 45 Jahre alt, Inhaber und Ausbildungsleiter der Würzburger Business Coaching Akademie. Im Interview für B4BMainfranken.de spricht er darüber, auf was man im Vorfeld und während eines Coaching-Prozesses achten muss und wie man in Betrieben Widerstände gegenüber dem Coaching überwindet. Was laut einer Studie unter 2000 Führungskräften beim Thema „Führungsverhalten“ viel zu kurz kommt und welche persönliche Einstellung beim Coaching besonders wichtig ist, auch dazu nimmt er Stellung.

So manche Führungskraft, die mit Widerwillen sich auf ein Coaching einlässt, das „von oben“ angeordnet wurde, ist meist weniger motiviert und verunsichert. Wie kann man Widerstände bei Führungskräften abbauen, bevor es überhaupt losgeht mit dem Coaching?

Helmut Martin: Coaching hat in den letzten 10 Jahren in Unternehmen eine breite Akzeptanz gefunden und ist aus meiner Sicht zu einer der Top-Führungskräfte-Entwicklungsmaßnahmen geworden. Dass man eine Führungskraft für ein Coaching überzeugen muss, erlebe ich weniger. Die Praxis gestaltet sich eher so, dass Führungskräfte oft selbst aktiv werden, um etwas für ihre Entwicklung zu tun. Es gibt in unserer Region einige Unternehmen, in denen Coaching als Bestandteil der Führungskräfteentwicklung etabliert ist.

Wie sieht es bei den anderen Unternehmen aus?

 …natürlich gibt es auch Firmen, in denen es Vorbehalte gibt. Diese basieren zum Teil aus Unkenntnis über die positiven Wirkungen, die ein Führungskräfte Coaching mit sich bringt, zum anderen aus früheren Erfahrungen mit wenig professionellen Kollegen. Aus diesem Grund biete ich immer ein unverbindliches Erstgespräch an. So kann ich Bedenken aufnehmen, klären, Vertrauen herstellen und gewährleisten, dass eine für alle Seiten optimale Kooperationsbereitschaft entsteht.

Welche Vorurteile hinsichtlich Coaching erleben Sie immer wieder? Welches Argument kontra Coaching ist besonders „en vogue“?

Der Coaching-Markt wird oft als Wildwuchs gesehen. Manche Unternehmen tun sich schwer damit herauszufinden: Welcher Businesscoach ist denn professionell, welcher macht das vielleicht nur „nebenbei“? Ein Tipp: Hier kann man auf Zertifizierungen schauen. Es gibt gerade im Business sehr namhafte und renommierte Coaching-Verbände wie den Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC), die International Organization for Business Coaching (IOBC) und auf europäischer Ebene die European Association of Supervision and Coaching (EASC). Wer hier zum Beispiel als Senior Coach oder Master Coach zertifiziert ist, bringt eine gute Basis für die Begleitung von Führungskräften mit.

Welche Fehler im Vorfeld eines Coaching-Prozesses werden immer wieder gemacht? Gibt es vielleicht sogar „gute“, also verständliche Gründe, warum das so ist?

Manchmal stelle ich fest, dass ein Kunde die eigene Führungsaufgabe gerne an mich als Coach übergeben würde. Ein Beispiel: Eine Klientin kann nicht „performen“, zeigt also nicht das, was sie zeigen könnte und wirkt nicht selbstsicher. Wenn sich in der gemeinsamen Reflexion dann herausstellt, dass die Klientin nicht genau weiß, was von ihr erwartet wird und wie sie sich positionieren soll, um ihre Rolle optimal auszufüllen, dann fehlt hier ein Baustein, der eigentlich Führungsaufgabe ist: Die Rolle und deren Einbindung ins System zu erläutern, Erwartungen an die Rolle zu klären und mitzuteilen, woran man den Erfolg festmacht. Dieser Teil kann nur im Dialog mit der Führungskraft herausgearbeitet werden. Im Coaching kann dann die Passung zwischen Erwartung und derzeitiger Leistung reflektiert werden sowie Strategien entwickelt werden, um das Gap bestmöglich zu schließen. Diese Form der Prozessbegleitung ist dann Aufgabe des Coaches.

„…all das hat ihn unglaublich begeistert“!

Mal Hand aufs Herz: Mit welchem Argument haben Sie schon mal einen neuen Kunden überzeugt, der zuvor „Bedenken“ äußerte?

Ich erinnere mich an einen Werksleiter und an dessen Vorgespräch zum Coaching. Der Werksleiter, Anfang 60, war Führungskraft von der „alten Schule“. Er ging auf eigene Initiative ins Coaching, da er bei einer Mitarbeiterbefragung deutliche Kritik erntete. Sich auf einen Coach einzulassen, war ihm neu, er wollte aber nochmals an sich arbeiten. Ihm war nur wichtig, jetzt nicht sein Innerstes nach außen zu drehen.

Ich schlug ihm daraufhin vor, bei einer Teambetrachtung die „Managementmethode“ anzuwenden. Er war sofort bereit, sich auf das Thema einzulassen. Normalerweise arbeite ich bei Teambetrachtungen mit Figuren oder mit Karten am Boden. Für ihn war das nicht ganz greifbar. Aber die Management Methode, d. h. mit Stift und einem Blatt Papier sein Team und die damit verbundenen Erwartungen, Bedürfnisse, Motive und Verhaltensweisen zu reflektieren und dabei immer wieder die Perspektiven zu wechseln – all das hat ihn unglaublich begeistert! Und gleichzeitig hat es ihm viele Türen und Lösungsansätze gegeben, wie er sich auf die letzten Jahre als Führungskraft repositioniert. Und das gute war, es hatte nicht lange gedauert und er hat ein sehr wertschätzendes Feedback von seinen Teammitgliedern erhalten.

Also die richtige Methode, und dann „funktioniert“ Coaching?

Im Coaching ist das der zentrale Punkt. Die Methode muss zum Klienten passen. Aus diesem Grund ist es auch ein Vorteil, wenn Coaches in unterschiedlichen Verfahren ausgebildet sind. Und es braucht Empathie und Resonanz. Dies ist oft auch eine neue Erfahrung für Führungskräfte, die im Businessalltag oft nicht den Raum und den Zugang zu ihren Emotionen und zur Empathie haben. Wobei genau dies ein Schlüssel zur Lösung vieler Probleme darstellt: die Entwicklung von emotionaler Intelligenz.

Studie: Die wichtigste Führungseigenschaft war und ist die Empathie!

Woher kommt diese mangelnde Empathie? Haben Sie eine Erklärung dafür?

Das liegt zum einen an einem Mangel an Zeit und dauernder Getriebenheit. Aber auch daran, dass nach wie vor viele Führungskräfte vor allem durch ihr fachliches Wissen überzeugen. Im deutschen Mittelstand ist es immer noch so, dass die beste Fachkraft auch Führungskraft wird. Dabei wird viel zu wenig darauf geachtet: Bringt diese Person auch emotionale Intelligenz, Empathiefähigkeit, Interaktionskompetenz und anderes mit?

Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2016 über die wichtigsten Führungsfähigkeiten von Dr. Bibi Hahn in Zusammenarbeit mit dem Korn Ferry Institut, in der 2000 Führungskräfte auf Top Management Ebene daraufhin untersucht wurden, was besonders starke Führung ausmacht.  Das Ergebnis war für viele Führungskräfte verblüffend. Die wichtigste Führungsstärke ist ganz klar die Empathie, gefolgt von situativer Selbstwahrnehmung, emotionaler Stabilität und Beziehungsfähigkeit. Das sind alles weiche Faktoren, die für die Führung eine hohe Relevanz haben. (Quelle: Hahn, Bibi Wirtschaftspsychologie  aktuell 03/2016)

So kommt es also gar nicht so sehr auf Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsfähigkeit an. Offenbar tragen die „weichen Faktoren“ sehr zu einer guten Führung bei. Das heißt: Die wichtigsten Führungseigenschaften bringen nur wenige Führungskräfte von Beginn in ihrem Job mit! Das sind genau jene Themen, um die es auch beim Coaching geht!

Frage: Warum ist das so?

Führungskräfte sind es gewohnt, Entscheidungen zu treffen, Dinge voranzutreiben. Sie sind so sehr im operativen Bereich beschäftigt, dass Raum und Zeit für Mitarbeiteranliegen einfach zu kurz kommen. Diese Fähigkeit, wirklich empathisch zu sein, muss oft entwickelt werden!

Lässt sich Coaching als Instrument der Personalentwicklung langfristig im Betrieb integrieren? Und worauf kommt es an?

Zur ersten Frage ein klares Ja! Es kennzeichnet aus meiner Sicht eine gute Unternehmenskultur aus, wenn die Entwicklung der Führungskräfte professionell aufgestellt ist. Hierfür braucht es ein solides Grundgerüst. Es muss die Frage beantwortet werden: Was wird gebraucht, um diese Stelle optimal auszufüllen. Anschließend vergleicht man die Anforderungen an die Stelle mit der Person und prüft die Passung. Ist diese optimal oder gibt es ein Gap, das heißt eine Lücke, die zum Beispiel mit Fachwissen gefüllt werden muss oder mit Aspekten, die in der Persönlichkeit und im Verhalten begründet sind? Letzteres sind dann klassische Themen für ein Einzel-Coaching.

Was halten Sie davon, Coaching-Angebote im Rahmen von Mitarbeiter-Jahresgesprächen zu integrieren? Ist das sinnvoll?

 Ja, das macht durchaus Sinn, sofern das Vorgehen in ein stimmiges Gesamtkonzept eingebunden ist. Das heißt, es wird anhand eines Kompetenzrahmens ein Entwicklungsbedarf ermittelt und ein Ziel definiert. Anschließend wird überlegt, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Coaching als Option mit anzubieten halte ich für sinnvoll. Es darf nur nicht verordnet werden. Coaching muss freiwillig sein.

Sie betonen immer, das Thema Coaching ist eher etwas für Führungskräfte…

Das liegt daran, dass Einzelmaßnahmen hauptsächlich für die Leitungsebene in Anspruch genommen werden. Es ist keine Bewertung meinerseits. Im Gegenteil, Coaching bietet auch jungen Leuten die Möglichkeit der persönlichen Förderung. Um diese Tür etwas zu öffnen, bieten wir Unternehmen im Rahmen unserer Businesscoach-Ausbildung eine Kooperation mit der Überschrift Lerncoaching an. Wir bieten Firmen aus der Region ein kostenloses Coachingangebot für Ihre Auszubildenden und Dual-Studierenden, welches von den Teilnehmern der Würzburger Business Coach Akademie durchgeführt wird. Dies stellt eine echte „Win-Win-Situation“ dar und wird derzeit schon von EDEKA, der VR Bank Würzburg, persolog GmbH und weiteren wahrgenommen und wertgeschätzt. So erhalten junge Menschen in den ersten Jahren ihres Berufslebens Unterstützung und Orientierung.

„Es geht auch darum, dass man sich öffnet und zeigen kann, wie man ist“

Was legen Sie Führungskräften ans Herz, wenn sie sich ernsthaft damit auseinander setzen sollen?

Das ist eine gute Frage (überlegt)…. Ich rate jedem vor dem Coaching, dass er mit seiner Führungskraft in Dialog treten soll. Es gilt vorab zu definieren, was Inhalt sein soll. Erst danach folgt der nächste Schritt: Wo gibt es professionelle Anbieter? Wichtig ist immer: Es sollte ein unverbindliches Vorgespräch geben. Man sollte wissen: Kann ich mit der Person, die mich im Coaching begleitet, in Resonanz gehen? Stimmt die Chemie? Es geht schließlich auch um Vertrauen und Mut und darum, dass man sich öffnet und zeigen kann, wie man ist – und wie man sich vielleicht in der Firma nicht zeigen kann. Anders ausgedrückt: Aus dem Sollen muss ein Wollen entstehen. Weil nur dann ist eine gute Entwicklung möglich!

Woran erkenne ich als Führungskraft, ob ich ein Coaching brauche oder eher nicht?

Auch das ist eine gute Frage! Letztendlich wenn ich das Gefühl habe, Erwartungen, die an mich gestellt werden, nicht erfüllen zu können. Und gleichzeitig ist es für Top-Manager etwas völlig Normales, einen Coach an ihrer Seite zu haben, mit denen sie mal strategische Fragen reflektieren können, auch ihre eigene Tätigkeit als Geschäftsführer, ihren Führungsstil und auch so manche Entwicklung in der Firma!

 …bemerkenswert, was Sie da sagen. Es gibt auch Stimmen, die meinen, stark vereinfacht: Wer als Manager oder Chef einen Coach an seiner Seite braucht, hat sein Unternehmen offenbar nicht im Griff. Was würden Sie einer solchen Person entgegnen?

„Wer so denkt, ist nicht offen für das Thema Coaching“!

(lacht):… dabei handelt es sich um eine sehr alte Sichtweise, die aus meiner Sicht eher am Aussterben ist. Wer so denkt, ist auch nicht offen für das Thema Coaching. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, jemanden zu einem Coaching zu überreden. Es braucht ein Ziel, ein Mindestmaß an Offenheit, und die Bereitschaft.

Wenn Sie die ersten drei Sätze zum Stichwort „Coaching“ in Wikipedia formulieren müssten: Wie sähen die aus?

Coaching eröffnet Führungskräften und Executives eine neue Sicht auf Teams- und Organisationen, die gerade in Zeiten der Arbeitswelt 4.0 von Nöten ist. Coaching bedeutet einen besseren Zugang zu Menschen zu finden, Verhalten besser zu verstehen, Dynamiken frühzeitig zu erkennen und zu verstehen, Teams klarer zu führen und vieles mehr. Ist Coaching die Wunderwaffe des neuen Zeitalters?

Helmut Martin ist Inhaber und Ausbildungsleiter der Würzburger Business Coach Akademie. Er ist Executive Coach und bildet seit vielen Jahren Business Coaches aus. Weitere Informationen finden Sie in der Coach Ausbildung

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